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WO FERNSEHEN AUFHÖRT, FÄNGT VIDEO AN
Zu Ehren des 'Mannes mit der Videokamera' Herbert Schuhmacher, der kürzlich
seinen achtzigsten Geburtstag feierte, veranstaltet Wacker Kunst in seiner
Veranstaltungsreihe LOOX einen Video-Souvenir-Abend.
Unter dem Titel "Macht Euer Fernsehen selbst!", jener partizipatorisch-agitierenden
Überschrift, die seine Arbeit über viele Jahre prägte, wird Herbert Schuhmacher
von seinen Projekten berichten, Beispiele vorführen und zum Gespräch mit dem
Publikum bereit sein.
Darmstadt wird eine Rolle spielen: Hier fanden 1970 die ersten öffentlichen
Video-Experimente statt; mit seinem "Magischen Spiegel", mittels dem sich
Passanten erstmals zeitgleich selbst im Fernsehen betrachten konnten, fing alles an.
Schuhmachers Vision von der Überwindung einkanaliger Kommunikation wird hier
schon greifbar:
"Seit Anfang des Jahrhunderts wird uns in Bild und Ton etwas vorgemacht.
Wir schauen nur erstaunt, offenen Mundes schweigend.
Nach Erfindung der Schrift war es ähnlich. Jahrhunderte, Jahrtausende nutzten
Herrscher und ihre Schreibsklaven das überlegene Mittel der konservierten Sprache,
um Mehrheiten zu beherrschen. Die meisten erlernten die Schrift erst spät.
Wir brauchen nicht Jahrhunderte zu warten, bis wir selbst machen dürfen, was uns
heute Film und Fernsehen vormachen. Jeder kann das jetzt."[1976]
Schuhmacher will zeigen, "wie Leute mit den Leuten durch Video reden, wie sie durch
das neue Medium zu besserer Verständigung kommen können."[1976]
Es entsteht um Schuhmacher die Gruppe "telewissen" [www.telewissen-video.de],
die durch ihre Beteiligung an der "documenta 5" 1972 in Kassel auch international
bekannt wurde. Die hier aufgezeichneten Gespräche des Publikums wurden dann
1977 auf der "documenta 6" als "documenta der Leute" präsentiert. Projekte in
Paris, Köln, London folgen; immer steht die Ermöglichung unbeschränkter
Kommunikation im Mittelpunkt.
Gleichzeitig entstehen Video-Dokumentationen sozialer und im weitesten Sinne
pädagogischer Experimente, die aus heutiger Sicht einen faszinierenden Einblick
in den Zeitgeist verschiedener Subkulturen in den 1970er Jahren ermöglicht.
1973-1976 iniziiert Schuhmacher für die ARD Jugendprogramme unter dem Titel
"teamwörk", in denen die Beteiligten mit Videotechnik selbst an den Dreharbeiten
beteiligt sind. Ab 1977 entstehen mit Videotechnik produzierte Film-Features
auch
für die ARD.
Später nutzt er die Videotechnik, um für Auftraggeber aus städtischen Institutionen,
dem Land oder auch aus der Industrie Dokumentarfilme zu produzieren.
1978-1983 folgen Videoseminare zur politischen Bildung, später entstehen Videos
zu Lernprogrammen für Volkswagen-Arbeiter und, zusammen mit der TH Darmstadt,
Videos über das Design von Computer-Chips.
2006 ist Schuhmacher mit einer Rekonstruktion der "telewissen"-Installation
"documenta der Leute" in der großen retrospektiven Ausstellung "40 Jahre
Videokunst.de" im ZKM in Karlsruhe vertreten.
Video-Projekt von 'telewissen' vor dem Fridericianum
documenta 5 | Kassel 1972
'telewissen'-Plakat aus Video-Doku zum 'Biennale de Paris'-Beitrag
Paris 1973
Herbert Schuhmacher erläutert sein Konzept bei der 'Biennale de Paris'
aus dem Videofilm 'Ost-Tangente Blues'
Darmstadt 1975
Installation "documenta der Leute" in der Ausstellung "40 Jahre Videokunst.de" im ZKM
Karlsruhe 2006
